(Bild: Rainer Gehrisch)
BEHIND THE SCENES
Seit 2020 erscheint der DDCAST, der Podcast des DDC – und das im wöchentlichen Rhythmus. Ein Gespräch mit den Teammitgliedern Georg-Christof Bertsch, Anna Kirchner und Helge Aszmoneit über das Erfolgsrezept, Podcasts als Recherchetool und wie der DDCAST entsteht.
Der DDCAST ist der erfolgreichste Design-Podcast in Deutschland. Was ist das Geheimrezept?
Anna Kirchner: Das liegt an den erlesenen Zutaten. Die interessanten Interviewpartner*innen, die aus verschiedenen Designbereichen, aus verschiedenen Regionen der Welt kommen. Das ist Diversität. Der DDCAST ist immer klar aufgebaut: Am Beginn das informative und unterhaltsame Intro von Rainer Gehrisch, indem er auch auf den vorherigen DDCAST eingeht. Und dann kommt der gut gelaunte, eloquente und redselige Georg-Christof Bertsch.
Helge Aszmoneit: Ganz wichtig ist die Kontinuität, die regelmäßige Erscheinungsweise. Jeden Montag gibt es eine neue Folge.
Georg-Christof Bertsch: Die Mischung aus ganz jungen und bekannten Leuten macht’s. Wir haben zum Beispiel bewusst die junge Designerin Stephanie Hobmeier zwischen den Ausgaben mit Konstantin Grcic und Mike Meiré veröffentlicht – das hat Hobmeier natürlich nach oben gezogen. So können wir junge, noch unbekannte Leute pushen.
Wieso publiziert der DDC überhaupt Podcasts?
Georg-Christof Bertsch: Angefangen hat alles mit dem neuen Wettbewerb des DDC, WAS IST GUT, an, der 2020 ins Leben gerufen wurde. Die damaligen DDC Vorstände Nicolas Markwald und Rainer Gehrisch dachten, es wäre gut, wenn ein Podcast den Wettbewerb begleitet – und sind dann auf mich zugekommen, weil sie wussten, dass ich sehr viel zu Design publiziert hatte. Vor allem aber: Der DDC hat einfach viel zu sagen. Denn der Club ist sehr dynamisch und wird zur Zeit immer jünger. Da passen Podcasts als Sprachrohr sehr gut.
Helge Aszmoneit: In der Designbibliothek des Rat für Formgebung haben wir immer mehr Anfragen zu Podcasts bekommen und mit dem Rat auch selbst welche produziert. So kamen wir auf die Idee, Podcasts auch als Recherchetool zu nutzen. Der Start des DDCASTs fiel in die Corona-Zeit, in der Meetings schwierig waren. Und Podcasts wurden populär. Und dann kam Georg auf uns zu und fragte, ob wir den DDCAST archivieren können. So haben wir den DDCAST in den Katalog der Bibliothek aufgenommen. Nun werden alle Folgen kontinuierlich in den Katalog aufgenommen und verschlagwortet.
Wie begleitet der DDCAST den Wettbewerb WAS IST GUT des DDC?
Georg-Christof Bertsch: Beim ersten WAS IST GUT Wettbewerb haben wir mit einigen Protagonist*innen und Preisträger*innen im Anschluss einzelne Sendungen gemacht. So kamen etwa Friedrich von Borries und Nils-Holger Moormann zu Wort. Perspektivisch werden wir zum kommenden Wettbewerb WAS IST GUT zwei bis drei Folgen bringen.
Anna Kirchner: Die DDCASTs haben sich aber vom Wettbewerb gelöst, sind eigenständiger geworden. Dennoch: Am Ende eines DDCASTs geht Georg immer auch auf die Frage WAS IST GUT ein. Und durch den DDCAST werden auch viele Menschen an den DDC herangeführt. Es ist das reichweitenstärkste Format des DDC.
Nun sind ja Podcasts nicht visuell, und wir haben es bei Design mit dem Objekthaften und Visuellen zu tun …
Georg-Christof Bertsch: Nicolas Markwald hat das elegante, robuste und sehr charakteristische visuelle Erscheinungsbild des DDCASTS entworfen. Das erklärt schon aus sich selbst heraus etwas. Es schafft eine bestimmte Atmosphäre. Der visuelle Auftritt ist gerade bei einem Audioformat sehr wichtig. Aber konkreter zu der Frage. Man muss die Dinge wirklich erklären und auch die Gäste darauf hinweisen, beschreibe das bitte. Bei der Sendung „Designlesen“ habe ich mir die Mühe gemacht, ein Buch von Klaus K. Loenhart wirklich als Objekt zu beschreiben. Oder im DDCAST mit Nina Sieverding und Anton Rahlwes, die Chef-Redakteur*innen des form Designmagazins, die berichteten, dass sie auf der Milan Design Week rassistische Objekte entdeckt haben. Man muss auch sehen, dass in den letzten Jahren in der Designszene die rein theoretische Auseinandersetzung mit der Disziplin sehr, sehr stark zugenommen hat.
Welche Rolle und Bedeutung haben Podcasts ganz allgemein für die Design-Vermittlung?
Helge Aszmoneit: Podcasts haben generell den Vorteil, dass man sie hören kann, durchaus auch, während man andere Dinge tut. Vielen ist nicht bewusst, dass sie auch Quellen für eine Recherche sein können oder den Kontakt zu Expert*innen öffnen.
Anna Kirchner: Um Designer*innen sprechen zu hören, musste man früher auf Konferenzen fahren. Heute kann man den DDCAST anhören. Denn die Designbranche hat ja immer weniger Foren, in denen fachspezifisch publiziert wird.
Und wie kann ich Podcasts für meine Recherche nutzen?
Helge Aszmoneit: Die Designbibliothek des Rat für Formgebung, die ich leite, nimmt die DDCASTs in ihren Katalog mit auf, der Teil von zwei großen Online Public Access Catalogs (OPACs) ist. Man findet die DDCASTs formal und unter Schlagwörtern, die wir den einzelnen DDCAST-Folgen zuordnen. Außerdem kann man natürlich auch gezielt nach Audio-Dokumenten oder den DDCASTs suchen. Wenn man also nach Informationen von und über Konstantin Grcic sucht, wird auch der DDCAST mit Konstantin Grcic angezeigt. Das funktioniert mit thematischen Suchen ebenso.
Wie geht ihr bei der Verschlagwortung vor?
Anna Kirchner: Ich höre mir alle Folgen an und mache mir Notizen, dafür habe ich ein eigenes Buch. Das Gute ist, dass die DDCASTs nicht so lang sind – zwischen 25 und 45 Minuten. Die Schlagworte gebe ich dann strukturiert an Helge Aszmoneit weiter.
Helge Aszmoneit: Ich schaue mir die Schlagworte an und überprüfe, ob sie Sinn machen, ob man vielleicht doch englische Begriffe benutzen sollte oder etwa andere Schreibweisen. Die Verschlagwortung als inhaltliche Erschließung ist sehr wichtig.
Es gibt ja ein ganzes DDCAST-Team. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Georg-Christof Bertsch: An absolut erster Stelle steht Rainer Gehrisch. Mit ihm bin ich ständig in Kontakt, auch mal nachts. Ohne ihn wäre die Sendung gar nicht möglich. Seine technische Kenntnis, seine sensible Tonregie während der Aufnahmen sind das Optimum, das man sich bei einem Podcast wünschen kann. Er bringt Jahrzehnte Erfahrung als Filmproduzent und Kameramann mit. Wir beide haben uns 2020 gleich professionelle Unterstützung geholt: Philipp Ostermann, der als Webmaster agiert, Lasse Nielsen für Social Media und Dirk Buro, der den Ton mischt und seinen Sohn Daniel mitgebracht hat. Daniel macht, als jüngstes Mitglied des Teams, seit kurzem übrigens ganze Produktionsleitungen. Rainer bringt natürlich seine Erfahrungen aus der Filmproduktion ein. Claudia Laufs koordiniert als Geschäftsstellenleiterin des DDC die Termine. Die Redaktion wurde letztes Jahr um Anna Kirchner erweitert. Und Helge Aszmoneit vom Rat für Formgebung kümmert sich um die Einbindung in die OPACs der Bibliotheken. Man muss betonen: Insbesondere Rainer und ich stecken völlig unentgeltlich sehr viel Zeit in das Projekt. Auch Anna arbeitet rein ehrenamtlich.
Helge Aszmoneit: Als Georg auf uns zukam, war schnell klar, dass wir das Format als Rat für Formgebung unterstützen. Der Rat für Formgebung, der in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen feiert, setzt sich ja für die Designvermittlung insgesamt ein. Ich habe vorgeschlagen, dass der Katalogeintrag der DDCASTs direkt auf die Website des DDC verlinkt. Dort findet man viele Informationen zu den einzelnen Podcasts. Dort kann man sie auch direkt anhören, denn er wird dauerhaft dort gespeichert – oder eben auf den anderen Plattformen wie Spotify, Deezer oder iTunes.
Anna Kirchner: Ich habe mich auf die Ausschreibung des DDC im November 2022 beworben. Neben der Verschlagwortung ist es auch das Finden, Aufspüren und Kontaktieren von Interviewpartner*innen. Ich habe den DDCAST schon immer gerne gehört, um mein Designwissen zu erweitern. Jetzt bin ich direkt dabei. Mein Netzwerk wächst. Das wirkt sich auch auf meine eigentliche Arbeit als Designerin aus.
Georg-Christof Bertsch: Es ist ein tolles Team mit einem guten Work-Flow. Erwähnen sollte man auch, dass wir in einzelnen Folgen Gast-Moderator*innen haben, wie etwa die DDC Mitglieder Bettina Knoth, Katja Lis und Nicolas Markwald. Oder Thilo Schwer in „Designlesen“ sowie künftig Christoph Grünberger zu KI-Themen.
Wie wählt ihr die Gesprächspartner*innen aus?
Georg-Christof Bertsch: Wir suchen Leute, die etwas Cooles machen. Oder es gibt Themen, die interessieren und dazu suchen wir passende Interviewpartner*innen aus. Zum Beispiel die junge Designerin Michaela Leitner, die wir in Folge 131 vorgestellt haben. Ich finde es unglaublich, was sie in ihrem Buch FemFacts über Gender Gaps und Sexismen präsentiert. Wichtig ist auch eine gute Vorbereitung, sodass die Gespräche stringent geführt werden können. Ich rufe die Interviewpartner*innen vorher an. Das ist ein enormer Aufwand.
Anna Kirchner: Wie wir zum Beispiel auf Tobias Trübenbacher gekommen sind, der bald im DDCAST zu hören sein wird: Er hat bei WAS IST GUT 2020 teilgenommen und wurde mit dem German Design Award 2023 ausgezeichnet. Dann habe ich mich mit seinem Produkt beschäftigt, einer Leuchte, die ohne Stromanschluss funktioniert, und zwar mit herkömmlichem Öl. Wir haben uns unterhalten und ich habe gemerkt, dass er viel zu sagen hat.
Georg-Christof Bertsch: Wir achten ganz selbstverständlich auf eine möglichst diverse und gendergerechte Auswahl. Ich versuche, die Gespräche so zu führen, dass die Gesprächspartner*innen glänzen können. Und schließlich es gibt es auch sehr persönliche Zugänge zu den Interviewpartner*innen. Zum Beispiel Erik Spiekermann. Wir gratulieren uns seit 28 Jahren gegenseitig zu unserem Geburtstag am 30. Mai. Zu Eriks 75. Geburtstag haben wir die Folge „TypoErik 75“ herausgebracht. Das klingt selbst wie der Name einer Schrift.
Wie kommt es, dass es nicht nur Designer*innen sind, mit denen ihr sprecht?
Georg-Christof Bertsch: Wir wollen die Designblase von innen perforieren, einfach weil sie viel zu klein ist und Öffnung in alle Richtungen braucht. Deshalb sind auch immer wieder Ökonom*innen oder Naturwissenschaftler*innen dabei, aber wir streuen immer zwei, drei Fragen ein, die in Richtung Design gehen. In Podcast 52 spricht Fritzi Köhler-Geib, die Chefvolkswirtin der Kreditanstalt für Wiederaufbau, darüber, wie Design Brücken zwischen Industrien bauen kann. Das ist eine tolle makroökonomische Betrachtung.
Anna Kirchner: Oder wir blicken weiter raus in die Welt, etwa nach Südafrika, wo wir im DDCAST 143 mit Keneilwe Munyai gesprochen haben, die sich als studierte Designwissenschaftlerin mit Social-Interaction-Prozessen vor Ort beschäftigt. Wenn es nur reine Designer*innen wären, finde ich das auch ziemlich arm für den Ansatz, den wir im DDC verfolgen.
Welche Episoden könnt ihr hervorheben, die für euch persönlich etwas Besonderes sind?
Helge Aszmoneit: Ich finde DDCAST 97 sehr spannend: Der Physiker und Professor Joachim Curtius sprach über Spurengase, Aerosole, Wolken und Klima. So viel geballtes Wissen. Auch die Folge mit Konstantin Grcic gehört zu meinen Favoriten.
Anna Kirchner: Für mich ist es DDCAST 62 mit Karin Schmidt-Friderichs, die Verlegerin des Hermann Schmidt Verlags und Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Sie zeigt mit ihrem Programm, dass Print noch lange nicht tot ist. Und die Bücher aus ihrem Verlag sind einfach auch toll gestaltet. Außerdem zeigt sie eine Demut und Offenheit, das hat mich beeindruckt. Sie hat übrigens zur ersten Folge von „Designlesen“ an uns geschrieben: „In dieser Intensität und Kompetenz habe ich Gestaltungsbücher selten oder nie besprochen gehört.“ Das macht uns schon stolz.
Georg-Christof Bertsch: Intensiv war auch die Begegnung mit der Modedesignerin Bitten Stetter, die durch die Sterbebegleitung ihrer Mutter zum Palliativdesign kam. Ein Thema, über das ich noch nie nachgedacht hatte. Wir haben vor ein paar Tagen drei Folgen mit Hartmut Esslinger aufgenommen, die wir kurz vor seinem 80. Geburtstag im Frühjahr 2024 senden werden. Dafür hat mir Helge eine super Bibliografie erstellt und ich habe etwa 200 Seiten Texte gelesen oder wiedergelesen. Zugegebenermaßen ein ziemlicher Aufwand, aber für solche Gespräche lohnt sich das. Darauf könnt die Hörer*innen schon gespannt sein.
Zum Schluss noch eine persönliche Empfehlung in einem Satz: Warum sollte man den DDCAST hören?
Helge Aszmoneit: Um Design in möglichst vielen Dimensionen kennenzulernen, die mit den Herausforderungen unserer Zeit zu tun haben, lohnt es sich, den DDCAST zu hören, der auch zu ganz persönlichen Handlungsveränderungen anregt.
Anna Kirchner: Weil er einen positiven Blick und konkrete Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit darstellt. Die Frage WAS IST GUT? transportiert die optimistische und konstruktive Grundhaltung und die zukunftsgerichtete Perspektive, mit denen sämtliche Themen im Podcast beleuchtet werden.
Georg-Christof Bertsch: Weil es der DDCAST ist.
Das Interview führte Martina Metzner.