Das Gespräch führte Nils Holger Moormann aus seinem Camper „Streifenwagen“, dessen Innenausbau er selbst vorgenommen hat. Bild: Nils Holger Moormann Art Direction

DESIGN DISKURS

Alles, was hinterfragt und alte Gewohn­heiten auf den Kopf stellt, sei erst mal gut, meint DDC Mitglied Nils Holger Moormann im Gespräch mit DDC Vorstand Felix Kosok, in dem er seine neue Aufgabe „außer Unter­nehmens-Dienst“ reflektiert, das gesamte Jahr im Design und den DDC Wettbe­werb WAS IST GUT, bei dem er selbst als Speaker mitgewirkt hat.

Veröffentlicht am 01.12.2021

Felix Kosok: Lieber Nils Holger Moormann, das Jahr 2021 war am Ende eines, in dem sich viel geändert hat, in dem wir auch unsere Perspektive auf die Welt ändern mussten. Nicht zuletzt ging die Ära Merkel zu Ende. Für dich ganz per­sönlich war es aber auch das erste Jahr nach einer großen Verän­derung in deinem Leben. Du bist aus dem aktiven Geschäft deines Möbel­design-Unter­nehmens aus­ge­stiegen und in die Beobachter­rolle ge­wech­selt. Wie hat sich dieser Perspektiv­wechsel angefühlt?

Nils Holger Moormann: Also für mich über­raschend gut! Ich hatte natür­lich ein wenig die Befürch­tung, so etwas wie die Deutungs­hoheit abzu­geben oder die Flug­höhe zu ver­lieren. Oder aber, dass es viel­leicht furcht­bar lang­weilig wird, wenn man nicht mehr gefor­dert wird. Aber das Jahr hat sich extrem gut ange­fühlt, oder fühlt sich viel­mehr noch immer sehr gut an. Das passt einfach zur bio­logischen Uhr. Und mir per­sön­lich passt auch die Frei­heit ganz gut, nur noch die Auf­träge zu machen, die mir wirklich Freude bereiten. Jobs, die mir Spaß machen und bei denen ich auch neu­gierig werde. Außer­dem bin ich raus aus der Personal­verant­wortung und all dem, was eher weiter weg von der eigent­lichen Gestaltung liegt.

„Mir gefällt das, zuzu­schauen, aber im richtigen Augen­blick als Störer oder Hinter­frager auf­treten zu können und ein bisschen die Veran­staltung aufzu­mischen.“

Felix Kosok: Bei deinem persönlichen Perspektiv­wechsel habe ich mich gefragt, welche Rolle du im Bezug zur Design­welt jetzt ein­nimmst. Ich persönlich verstehe mich als Grafik­designer immer als Cheer­leader am Spiel­feld­rand, als Stimmungs- und Meinungs­macher, wenn man so will, der andere moti­viert und anspornt. Wie siehst du deine Rolle am metaphorischen Spiel­feld­rand jetzt? Bist du auch ein Cheer­leader oder doch der härteste Kritiker, der auch mal gerne dazwischenruft?

Nils Holger Moormann: Mit dem Ausstieg aus der Firma habe ich die Position des Motiva­tors natür­lich ein Stück weit aufge­geben. Was mich nun mehr reizt ist, auch mal ganz gelassen am von dir ange­sprochenen Spielfeld­rand des Designs zu stehen, sich schon auch manch­mal zu ärgern und diesen Unmut kund­zutun. Ganz wie beim Fuß­ball: Mensch, was macht denn der da jetzt! Mir gefällt das, zuzu­schauen, aber im richtigen Augen­blick als Störer oder Hinter­frager auf­treten zu können und ein bisschen die Veran­staltung aufzu­mischen. Aber alles mit ganz leichtem Gepäck und nicht mehr mit der Schwere der Bedeu­tung eines ganzen Unternehmens.

Nils Holger Moormann hat 2020 seine Firma an Kristina Münnix und Christian Knorst verkauft. Bild: Julia Rotter

Felix Kosok: Um in der Fußball­meta­phorik zu bleiben: Genießt du es jetzt, end­lich wieder mehr dem Spiel­bein freien Lauf zu lassen?

Nils Holger Moormann: Für mich war und ist einer der größten Werte in meinem Leben die Freiheit. Des­wegen fiel mir dieser Perspektiv­wechsel wahr­scheinlich auch leichter, weil ich jetzt die Freiheit habe. Freiheit, Projekte zu machen, die mir Freude bereiten. Trotz der ganzen Ein­schränk­ungen, die diese ver­flixte Pandemie jetzt mit sich bringt …

Felix Kosok: Das stimmt. Dieses Jahr endet für Deutschland zumin­dest auf einer nicht ganz so schönen Note und es scheint fast so, als würde sich der furcht­bare Winter vom letzten Jahr doch noch einmal wieder­holen. Diese gewaltige Trans­forma­tion, die die Pandemie mit sich ge­bracht hat, haben wir noch nicht ganz über­standen.

Nils Holger Moormann: Mich verbindet ja viel mit Italien und ich bin auf dem Weg dort­­hin. Die Italiener blicken gerade mit etwas Ver­wun­derung nach Deutsch­land und haben für die Situation hier ein neues Wort: ‚durch­schwurbeln‘, ins­­be­son­dere für die Problem­­lösungs­­strategien der Politik.

Felix Kosok: Das gefällt mir! Da du schon die Politik erwähnst, würde ich gerne den Blick auf das vergangene Jahr für die Design­branche ins­gesamt werfen. Der DESIGN DISKURS des DDC ist ja mit dem Thema der Trans­formation unserer Gesell­schaft durch Design über­schrieben. Hast du eine Verän­derung im Design im letzten Jahr wahr­ge­nommen oder ist doch trotz der vielen Krisen alles beim Alten geblieben?

Nils Holger Moormann: Ich schaue natürlich immer noch eher mit der Brille eines Möbel­unter­nehmers auf das Design. Im Bereich der Möbel hat sich meiner Meinung nach nicht viel getan. Das ist sogar ein Sektor, in dem das Geschäft zuletzt stark ange­zogen hat, weil alle Menschen nicht in den Urlaub fahren konnten, zuhause bleiben mussten und es sich dort ge­mütlich machen wollten. Die Möbel­branche gehört somit zu den Gewinnern dieser Krise.

„Insgesamt durch­wachsen und unter­schied­lich, würde ich also als Resümee für das Jahr in der Design­branche urteilen.“

Ansonsten hat sich im Bereich der Digitali­sierung natür­lich auch viel für das Design getan. Wir beide sprechen ja gerade auch über digitale Medien mit­ein­ander und ich habe einige digitale Kon­ferenzen besucht. Den restlichen Wandel, die große Trans­formation, die eigent­lich nötig wäre, sehe ich etwas pessi­mistischer. Unsere Welt ist in so große Formate einge­bettet und struk­turiert. Alles wird immer glatter, auch politisch kor­rekter. Und alles richtet sich immer mehr auf die Kom­merziali­sierung aus. Hier fehlen mir wirk­liche Ecken und Kanten, regel­rechte Stör­faktoren, weil ich eigent­lich immer die Revo­lution will. Die tut sich zur­zeit aber etwas schwer. Aber vielleicht ist jetzt genau gerade die große Chance, weil klassische Funktionen eigentlich nicht mehr bedient werden können. Insgesamt durch­wachsen und unter­schiedlich, würde ich also als Resümee für das Jahr in der Design­branche urteilen.

Felix Kosok: Ich habe auch das Gefühl, es gibt so eine gewisse Träg­heit des Designs in der Masse. Aber die von dir ange­sprochenen Ecken und Kanten, die das ganze auf­brechen und an­stoßen, werden ja in Zukunft immer wichtiger werden.

Nils Holger Moormann: Ja, vielleicht tut’s auch einfach, dass man ein neues Bewusst­sein schafft. Der neue Wett­bewerb WAS IST GUT des DDC hat auch erst­mal einfach nur eine Frage ge­stellt und damit aber viel ange­stoßen. Was ist eigentlich gut im Design? Das zwingt einen dann doch auch dazu, die Dinge noch­mal zu über­denken und ein neues Bewusst­sein für den Wert von Gestalt­ung zu ent­wickeln. Klassische Ant­worten bringen einen dabei nicht weit.

Gartenhaus „Walden“ von Nils Holger Moormann. Bild: Nils Holger Moormann

Felix Kosok: Ich greife deine Bemerkung und das Stich­wort Trans­formation direkt zusam­men auf. Denn auch der DDC hat in diesem Jahr eine Trans­formation durch­gemacht. Mit dem Wettbewerb und Symposium WAS IST GUT, bei dem du als Impuls­geber ja auch dabei warst, haben wir versucht, alt­be­kannte Dinge mal ganz anders zu machen. Was ist dir denn von diesen zwei Tagen in Erinnerung geblieben?

Nils Holger Moormann: Also mir ist vor allem in Erinnerung ge­blieben, dass ich gesund­heit­lich total ange­schlagen war! Ich bin echt froh, dass ich die zwei Tage einiger­maßen gut über­standen habe. Aber Spaß beiseite. Ihr habt mich natür­lich gleich schon gehabt. Endlich mal ein Wett­be­werb, bei dem es um etwas geht. Nichts gegen die anderen Design-Wett­be­werbe. Die müssen sich natür­lich auch organi­sieren und tragen, eine bestimmte Anzahl an Awards ver­geben und so weiter. Aber hier­bei kommt man natürlich gar nicht dazu, die Dinge mal grund­legend zu hinter­fragen. Und ihr habt dieses Hinter­fragen direkt an den Anfang ge­stellt. Das war natür­lich ein Experi­ment. Und dieses Experi­ment ist – von außen betrachtet – jeden­falls schon mal nicht gescheitert. Ihr habt mit diesem Hinter­fragen eine Neu­gierde ge­weckt und auch die Lust, die Dinge end­lich mal neu zu machen. Das hat mir von Anfang an ge­fallen und ich war direkt mit dabei. Aber das Ganze hätte natürlich auch voll in die Hose gehen können!

Felix Kosok: Das ist ja das Schöne an Experi­menten: Auch wenn man den Versuchs­auf­bau minutiös plant und mit einer Hypo­these rein geht, die man gerne über­prüfen möchte, weiß man am Ende doch nicht, was dabei raus­kommen wird.

Nils Holger Moormann: Aber genauso funktioniert ja auch der Beruf des Designers und der Designerin. Im großen rauschenden Chaos schauen wir wie ein Leucht­turm in alle Richtun­gen und ver­suchen aus­findig zu machen, was richtig gut ist, was der richtige Weg sein könnte. Designer­*innen saugen viel in sich auf, aus allen Bereichen, aus der Kunst, der Wissen­schaft, der Politik und ver­suchen hier­durch, Ant­worten auf die großen und kleinen Fragen zu finden. Und das geht natürlich nur mit einer großen Experimentier­freudig­keit und einer Lust am Ge­stalten. Da muss man immer mit dem Uner­warteten, mit dem Chaos rechnen. Das ist auch die Ab­teilung des Designs, in der ich mich selbst immer am wohlsten gefühlt habe. Aus Chaos etwas zu machen oder etwas, das zunächst chaotisch an­muten mag – das ist doch super! Wenn man bereit dazu ist, seinen eigenen Weg zu gehen. Insofern ist alles, was hinter­fragt und alte Gewohn­heiten auf den Kopf stellt, erst mal gut. Da habe ich mich bei WAS IST GUT direkt wohl gefühlt. Und jetzt bitte weiter so!

„Im großen rauschenden Chaos schauen wir wie ein Leucht­turm in alle Richtungen und ver­suchen aus­findig zu machen, was richtig gut ist, was der richtige Weg sein könnte.“

Felix Kosok: Wir geben unser Bestes! Einen bestimmten Aspekt von WAS IST GUT würde ich jetzt aber doch nochmal gerne mit dir disku­tieren wollen. Das besondere an der Ermitt­lung der Gewinner­*innen war ja, dass alle Teil­nehmer­*innen des Wett­bewerbs die Jury waren. Alle konnten gemein­sam bestim­men, wer am Ende als Sieger oder Siegerin her­vor­geht. Im Grunde also ein demokratischer Design-Wett­be­werb. Aber kann man über Design über­haupt demokratisch ent­scheiden?

Nils Holger Moormann: Nein, kann man natür­lich nicht. Da halte ich es ganz mit Kurt Weide­mann, der ja bekannt­lich gesagt hat, dass Design nicht demokratie­fähig ist. Denn über Schlechtes abzu­stimmen, lohnt sich nicht. Dem würde ich mich an­schließen. Ich weiß auch nicht, ob demo­kratische Prozesse das richtige Instrument für einen Design-Wett­bewerb sind. Was mir bei all dem Lob für WAS IST GUT im Prozess doch noch gefehlt hat, ist die Diskus­sion in einem kleinen Team, innerhalb eines Kreises von Expert­*innen, wo jede und jeder auch eine völlig unter­schied­liche Meinung haben kann und man sich die Köpfe ein­rennt. So eine hitzige Debatte, bei der man ver­sucht, sein Gegenüber zu über­zeugen. Da habe ich WAS IST GUT insge­samt ein bisschen zu harmon­isch für meinen Geschmack wahr­genommen.

Bei demokratischen Prozes­sen kommt man ja auch zu einem Konsens oder Ergebnis, weil die große Masse abstimmt. Da prallt man nicht wirklich so hart auf­ein­ander und muss nicht die dicken Bretter bohren, die man inner­halb eines kleinen Design­teams zu bohren hat, um wirklich exzellent zu werden. Aber das ist vielleicht auch Geschmacks­sache. Insgesamt hatte WAS IST GUT ja ein sehr umfang­reiches Programm – und harte Diskus­sionen brauchen auch ihre Zeit. Aber genau diese Diskus­sionen, die dann wirklich auch an den Kern eines Projektes ran­gehen, die würde ich mir für das nächste Mal dann noch mehr wünschen.

Felix Kosok: Auch das Gute braucht am Ende die Ecken und Kanten, von denen du anfangs ge­sprochen hast, genauso wie eine Demokratie natürlich auch Ex­zellenz sowie heraus­ragende und inspirierende Persön­lich­keiten braucht, die etwas anstoßen, ja regelrecht provozieren.

Nils Holger Moormann: Absolut.

„Ich würde mir jetzt noch wünschen, dass WAS IST GUT zusätzlich auch zum härtesten Design-Wettbewerb wird, bei dem eine Aus­zeichnung wirklich wieder etwas bedeutet, eben auch aus gestalterischer Perspektive.“

Felix Kosok: Eine letzte Frage noch zu WAS IST GUT. Wie du auch schon fest­ge­stellt hast, war das Ganze ein Experi­ment. Es gab erst­mal keine konkrete Ziel­setzung, was so ein Wett­be­werb be­wirken müsste. Aber was wäre deiner Meinung nach ein Ziel, dass dein Design-Wett­be­werb für die Zukunft verfolgen sollte?

Nils Holger Moormann: Da gibt es natürlich mehrere Möglich­keiten. Aber solche Wett­be­werbe sind auch immer ein riesiges Unter­nehmen. Extrem auf­wendig, extrem teuer und extrem auf­reibend. Wieviel Arbeit, Auf­wand und Man­power dahinter­steckt. Ich ärgere mich immer darüber, dass offen­sicht­lich noch keiner ver­standen hat, welchen Ein­fluss Gestal­tung auf alle Bereiche hat, vor allem aber auch auf die Wirt­schaft, die Politik und die Kultur. Eigentlich müsste der Staat hier die Lücke füllen und das aner­kennen. Tut er aber nicht. Also organi­sieren wir uns wieder mal selbst.

Eine Sache, die ich als besonders wichtig für Wett­be­werbe er­achte, ist eine gewisse Härte in der Aus­wahl. Es bringt nichts, wenn alle am Ende mit einer Plakette nach Hause gehen, wenn man Aus­zeich­nungen für die Teil­nahme ver­teilt. Dann ist es ja kein Wett­be­werb mehr. Das funktioniert hier genauso wenig wie es in der Wirt­schaft funktio­nieren würde. Hier zählt es, sich gegen die Konkur­renz abzu­setzen. Das muss eine knall­harte Aus­einander­setzung darüber sein, wo es in Zukunft hin­gehen wird und was wirk­liche Exzellenz in Zukunft aus­zeichnet. Aber das hat WAS IST GUT im Grunde schon gut ge­macht, knall­hart die ent­scheidenden Fragen zur Zukunft zu stellen. Ich würde mir jetzt noch wünschen, dass WAS IST GUT zusätzlich auch zum härtesten Design-Wett­be­werb wird, bei dem eine Aus­zeichnung wirklich wieder etwas bedeutet, eben auch aus gestalter­ischer Pers­pektive. Ein Wett­bewerb, bei dem man nicht nur Dinge grund­legend hinter­fragt, sondern dann auch mit Stolz be­haupten kann, ihn gewonnen zu haben.

Genauso wie du zuvor angesprochen hast, dass Demokratie und heraus­ragende Leistung mit­einan­der ver­bunden werden können, finde ich es gut, wenn man Exzellenz aus­zeichnet, ohne dass es dabei um etwas Elitäres gehen muss. Denn auch exzellente Ges­taltung bewegt sich ja inner­halb unserer demo­kratischen Gesell­schaft und be­ein­flusst diese, worüber sich Designer­*innen be­wusst sein müssen. Dass so ein paar alt­ehr­würdige Gestalter­*innen alles besser wüssten und bestim­men, wie es zu sein hat, das kann natürlich nicht sein. Eine konkrete Lösung für eine gelungene Ver­bindung von demo­kratischen Prozessen und der Aus­zeichnung exzellenter Gestal­tung weiß ich jetzt selbst nicht. Aber ich würde vor­schlagen, so wie euer Wett­be­werb, dass es hier einfach weitere Experimente braucht.

Workshops und demokratisches Auswahlverfahren: der DDC Design-Wettbewerb WAS IST GUT. Bild: Thomas Keydel

Felix Kosok: Eine abschließende Frage hätte ich jetzt noch. Auch wenn wir alle keine Wahr­sager­*innen mit Kristall­kugel sind und natürlich niemand genau weiß, was nächstes Jahr passiert, kommt natürlich in so einem Gespräch zu Jahres­ab­schluss die Frage, die eben kommen muss. Was bringt uns deiner Meinung nach das Jahr 2022?

Nils Holger Moormann: Ich glaube, wir befinden uns an einem Wende­punkt, an dem ein­fach andere Frage­stellungen rele­vant werden – und auch andere Werte. Und so etwas passiert in der Regel nicht anders, als dass einer oder eine auf­steht und sagt, so, ich mache hier nicht mehr mit, wie wir das bisher ge­macht haben, und mache etwas anderes, etwas Neues. Das hängt für mich persönlich auch ganz stark mit dem Stolz einer Designerin oder eines Designers zusam­men. Mache ich einfach nur Produkte oder hinter­frage ich wirklich die Gesell­schaft und grund­legende Dinge? Mache ich solide Arbeit oder bin ich zusätz­lich auch noch ein kleiner Revolutio­när, der für eine Sache kämpft?

Das hatte sich zuletzt alles so fest­ge­fahren und ist irgend­wie einge­rastet. Produkt­gestalter­*innen sind auch stark der Ver­führung des Marketings ver­fallen, in dem es nur noch um den schönen Schein geht und man gar nicht mehr zum Kern der Sache vor­dringen kann. Aber dieses Vor­dringen zum Kern der Dinge und eine solide Gestaltung müssen wieder zusammen­kommen, weil dann wird es eine wirk­liche Aus­sage, die auch etwas bewegt. Hierfür braucht es ein ganz­heit­liches und besonders leiden­schaft­liches Denken. Dann können wir Designer­*innen auch wirk­lich etwas Gutes machen.

Für mich ganz persön­lich blicke ich dem neuen Jahr aber ganz ent­spannt entgegen. Ich kann hoffent­lich ent­spannt reisen, so wie jetzt gerade nach Italien, und komme aus der ganzen Hektik etwas raus. Selbst wenn ich auf­grund der aktuellen Lage doch zuhause bleiben muss. Trotz der Pandemie kann man aus jeder Situation auch noch etwas machen, es passiert dann doch schon noch etwas. Das lässt sich gar nicht ver­hindern, gerade wenn man es mit Designer­*innen zu tun hat.

Felix Kosok: Ich glaube auch, die Ideen werden uns nicht aus­gehen. Einige Limitierungen befördern ja die Kreativi­tät erst richtig. Oder aber auch, wenn alte Systeme an ihr Ende kommen und die neuen Ideen regel­recht provoziert werden.

Nils Holger Moormann: Absolut! Das wünsche ich uns Designer­*innen auf jeden Fall für dieses neue Jahr. Neben all dem kom­merziellen Erfolg und der wirt­schaft­lichen Sicher­heit, die natür­lich auch wichtig sind, ist es doch gerade die Möglich­keit, grund­legend neue Dinge zu gestalten und alles zu hinter­fragen, die uns als Gestalter­*innen an­spornen. Und diese Ideen brauchen wir genau jetzt, um die Trans­formation hinzu­be­kommen. Das ist doch wirk­lich echt eine geile Zeit für Gestalter­*innen.

 

DDCAST Folge 58 mit Nils Holger Moormann – WAS IST GUT und was nicht

Nils Holger Moormann

Die Welt am Sonntag behauptet: Nils Holger Moormann (*1953 in Stuttgart) ist wie seine Möbel, seine Möbel sind wie er – intelligent, asketisch, humorvoll und klug. Als Autodidakt, Quereinsteiger und Freigeist entwickelt Nils Holger Moormann seit 1982 mit seinem Designteam Möbel mit reduzierter Formensprache und präzisen Detaillösungen. Die Leitgedanken Einfachheit, Intelligenz und Innovation ziehen sich dabei durch die gesamte Firmenphilosophie. Seine große Leidenschaft für gute Gestaltung gibt Nils Holger Moormann in zahlreichen Jurys, als Coach für Nachwuchsdesigner sowie 2018/19 während einer einjährigen Projektprofessur an der Kunsthochschule Kassel weiter. 2020 hat er seine Firma an Kristina Münnix und Christian Knorst übergeben und widmet sich seitdem individuellen Projekten.