Countathon
Mit „Designpreisjurys ausgezählt“ untersucht der Deutsche Designtag seit 2021 die Geschlechter-Zusammensetzung von deutschen Designjurys. Im März 2023 beteiligte sich der DDC an der Auszählung der Jahrgänge 2022/2023. Das Ergebnis: Graduell bessert sich etwas, aber ausgeglichen ist die Besetzung noch lange nicht.
„Designpreisjurys ausgezählt“ ist seit 2021 eine regelmäßige Untersuchung des Deutschen Designtags (DT). In ihr beschäftigt sich der Dachverband mit der Zusammensetzung von Designjurys in Bezug auf deren Geschlechtszugehörigkeit im deutschsprachigen Raum. Hierzu werden die auf den Websites der jeweiligen Designpreise veröffentlichten Jurymitglieder ausgezählt – die Geschlechterzugehörigkeit wird dabei gelesen.
Im März 2023 wurde für die Zählung in Kooperation von Deutscher Designtag mit Deutscher Designer Club/ Women of DDC ein COUNTATHON durchgeführt, bei dem 20 Designer*innen in Frankfurt die Daten von etwa 150 Jurys aus den Jahren 2022/2023 erhoben. Soviel vorneweg: am Ziel einer ausgeglichenen Besetzung aller Jurys sind wir noch nicht angekommen. Für die Jahrgänge 2022/2023 sind in allen gelesenen Designjurys 938 Männer und 630 Frauen gezählt worden. Immerhin eine Verbesserung, wenn man auf die Jahrgänge 2020/2021 blickt, wo das Verhältnis bei 1322 Männern zu 563 Frauen über alle Designjurys hinweg lag. Seit Zählung im Jahr 2018 bis zum Jahrgang 2023 besteht das Verhältnis von 3105 Männern gegenüber 1660 Frauen in Designjurys. Bislang konnte noch kein Jurymitglied als divers gelesen werden.
Auswertung
Beschrieben werden hier lediglich Auffälligkeiten positiver und negativer Art sowie kurze Analysen branchenspezifischer Charakteristika, was die Jury-Besetzungen betrifft. Insofern sind die namentlich benannten Jurys, als exemplarische Trends zu lesen. Alle aktuellen Zahlen sowie die Ergebnisse der vorherigen Zählung von 2020/2021 sind hier ausführlich dokumentiert.
1. Auffälligkeiten männlich dominierter Jurys
Die meisten der sehr vielen ADC-Jurys weisen ein katastrophales Geschlechterverhältnis zuungunsten der Frauen aus. Es gibt sogar einige, die ganz ohne Frauen auskommen (15 männlich : 0 weiblich bei den Wettbewerben Dialogmarketing oder Interface + Motion!).
Weitere Beispiele sind:
- BoB (Best of Business to Business): 27m : 9w
- Cannes Corporate Media & TV Awards: 28m : 21w
- Corporate Design Preis: 13m : 4w
- European Product Design Award: 13m : 4w
- Auto Vision Award: 14m : 6w
2. Auffälligkeiten von Jurys mit Tendenz zu Geschlechtergerechtigkeit
Der ADC hat erschreckend wenige Jurys zu bieten, in denen das Geschlechterverhältnis ausgeglichen ist, zum Beispiel in den Kategorien „Film“ / „Craft“ (7m : 8w und 8m : 7w), „Graphic“ / „Product“ / „Packaging“ (8m : 7w und 7m : 8w), „Brand Identity“ / „Design“ / „Communication Arts“ (7m : 8w und 6m : 9w).
Hervorzuheben ist „Brand Building“ + „Activation – Integrated“ ( = Kommunikation), wo sich die Zusammensetzung in den Jahren 2020/2021 von 13m : 2w deutlich verbessert hat auf ein faires Verhältnis von 8m : 7w in den Jahren 2022/2023, ebenso in der Kategorie „Copy“ für 2022/2023 (8m : 7w).
Graduelle Verbesserungen gibt es bei einigen ADC Jurys von 2020/2021 auf 2022/2023, zum Beispiel in den Kategorien „Film — Mobile/Online“, „Film TV/Cinema“, „Imagery — Photography“.
Ebenfalls etwas verbessert hat sich der iF Design Award: die Jury setzte sich für die Jahrgänge 2020/2021 mit einem Verhältnis von 50m : 25w zusammen. In den Jahren 2022/2023 verbesserte sich dieses Verhältnis von 74m : 57w.
Der renommierte Annual Multimedia Award ist wohl sehr egalitär vertreten (auch auf der Website kommen viele Frauen in Videos zu Wort): Wir haben nur die Zahlen von 2022/2023 vorliegen: 6m : 7w.
3. Auffälligkeiten weiblich dominierter Jurys
Der Fashion-Nachwuchspreis Apolda European Design Award war 2020/2021 mit 8m : 10w und in 2022/2023 mit 4m : 9w besetzt, also eine deutliche Mehrheit weiblicher Jurymitglieder.
Dass die Jury des iphiGenia Gender Design Award von Beginn an überwiegend weiblich besetzt ist, scheint aufgrund der Zielsetzung nicht besonders erstaunlich (1m : 4w).
Verbessert im Sinne eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses haben sich z.B. der German Design Award (von 14m : 8w in 2020/2021 auf 18m : 19w in 2022/2023), der Green Product Award (von 16m : 12w in 2020/2021 auf 12m : 14w in 2022/2023).
Auch scheinen Wettbewerbe mit Ausrichtung auf die Kategorie „Ökologie/Nachhaltigkeit“ Frauen in den Jurys häufiger zu besetzen, zum Beispiel der Deutsche Nachhaltigkeitspreis für die Jahrgänge 2022/2023 mit einem Verhältnis von 8m : 9w.
Weitere Beispiele sind:
- BFF Förderpreis: 2m : 5w (2022/2023)
- Beyondplastic Award: 2m : 4w (2020) und 4m : 4w (2021)
- Buntspecht: 2m : 3w (2019) und 2m : 4w (2022)
- Der Meefisch (Bilderbuchillustration): 1m : 4w (2022/2023)
- Eurobest: 20m : 24w
Besonders positiv hervorzuheben ist die Jurybesetzung in den von Bundesländern vergebenen Designpreisen: Designpreis Brandenburg 5m : 5w (2020/2021), Designpreis Rheinland-Pfalz 3m : 4w (2022), Gestaltungspreis Hessen 1m : 5w (2022/2023), Hessischer Staatspreis Universelles Design 5m : 7w (2020).
4. Analyse
Neben tendenziellen Verbesserungen zu ausgeglicheneren Geschlechterverhältnisse geht es in der Breite weiterhin ungerecht zu. Zudem ist ebenso bemerkenswert wie ärgerlich, dass sich Geschlechterstereotype weiterhin halten: Designbereiche, die traditionell als „weiblich“ gelten – Textil, Mode, Style, Interior, Kommunikation/PR (hier insbesondere: Print- und Postergestaltung, Illustration, Kinderbücher …) –, versammeln die Jurys egalitär oder zugunsten von Designerinnen. Bereiche, die gesellschaftlich eher „männlich“ assoziiert werden – Produkt, Marketing, Auto/Mobilität, Film … – spiegeln sich genauso in der personellen Besetzung der Jurys.
Ein Zeichen dafür, dass sich zukünftig an der ungleichen Zusammensetzung der Design-Jurys etwas ändern könnte, sind die Nachwuchspreise mit einem deutlich besseren Geschlechterverhältnis: Kölner Designpreis 2m : 3w (2023), mb21 (Multimedia für alle bis 25 Jahre) 4m : 5w (2022), Nachwuchspreis MehrWert NRW: 1m : 6w (2022/2023).
Was also lernen wir daraus?
Es gibt Ansätze, Jurybesetzungen zugunsten eines besser ausbalancierten Geschlechterverhältnisses zu verändern; einige Jurys haben sich von 2020/2021 auf 2022/2023 verbessert – hier bleibt zu beobachten, wie sich die Tendenz weiterhin verhält und ob tatsächlich ein nachhaltiger Bewusstseinswandel stattgefunden hat.
Noch zu viele Jurys sind dominant (manche sogar ausschließlich) männlich besetzt, und leider befinden sich viele der renommierten und als besonders wichtig erachteten Organisationen darunter, die die Jurys geschlechterungerecht besetzen.
Es bleibt noch sehr viel zu tun!
Da es bisher noch kaum Zahlen und Daten zur Zusammensetzung der Designjurys im deutschsprachigen Raum gibt, war es ein erster Schritt für den Deutschen Designtag, die Geschlechterverhältnisse in den Designjurys aufzuzeigen. Einige Jurys haben anhand der Zahlen des DT bereits Schritte eingeleitet, ihre Jurys geschlechtergerechter zusammenzusetzen. Dabei wird wieder einmal deutlich, wie die Visualisierung von Zahlen Veränderungen begünstigen kann.
Die Studie ist so angelegt, dass männliche, weibliche und diverse Jurymitglieder gezählt werden. Zu den diversen Jurymitgliedern gibt es noch keine Daten, da bei den bisherigen Zählungen leider niemand als divers gelesen wurde. Auch hier wünschen wir uns mehr Präsenz und Sichtbarkeit der sich divers lesenden Jurymitglieder.
Ebenso wichtig: Preise von einer divers aufgestellten Jury werden auch diverser vergeben. Dabei ist natürlich nicht nur die Frauenquote interessant – sondern auch das Verhältnis von People of Color und weißen Menschen oder auch Menschen, die mit Behinderungen leben. Leider lässt sich das deutlich schlechter zählen – weswegen wir es bei der Zählung der Frauen- und Männernamen belassen müssen.
Mehr unter:
https://studiedesignjurys.designtag.org
https://www.designtag.org