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Indem man sie lebt. Der DDC rief an zwei Tagen Ende März Designexpert*innen zum Konvent für demokratisches Design zusammen.

Veröffentlicht am 02.04.22

Vom Hochschulrektor über die Profes­sorin, die Agentur­in­haber­in, den Designer und die Designer­in bis hin zu den Studieren­den aus unter­schied­lichen Design­diszi­plinen wurde intensiv über die ästhet­ische, öko­logische, öko­nomische und polit­ischen Rolle des Designs in der und für die Demo­kratie disku­tiert. Die vielen unter­schied­lichen Pers­pektiven erwiesen sich hier­bei nicht nur als Heraus­forder­ung, sondern als maß­geb­liche Grund­lage für das Ergeb­nis des Kon­vents. Dabei wurde allen Teil­nehmer­*innen klar, dass alleine das Format, ein Raum für den gemein­samen, produktiven Streit, ein Wert an sich war.

Die zwei konzen­trierten Work­shop­tage im Frank­furter Atelier Lihotzky began­nen mit der Begrüßung durch das DDC Team Felix Kosok, Elisabeth Budde, Rolf Mehnert und ein­leitende kluge Worte durch Karin Wolff, der Geschäfts­führerin des Kultur­fonds Frankfurt RheinMain, gefolgt von einem ver­dichteten Pro­gramm von Impuls­vorträgen. Den Auftakt im ersten Panel machte Matthias Wagner K, der Leiter der Bewer­bung der Region Frank­furt RheinMain um den Titel „World Design Capital 2026“ unter dem Motto „Design for Democracy. Atmospheres for a better life“. Die Verant­wortung von Designer­*innen für die Konse­quenzen ihres eigenen Gestaltens war von Beginn des Konvents ein roter Faden, den Wagner K in seinem Vortrag aus­legte. Ein Faden, den Sozio­loge Harald Welzer direkt auf­griff und zusätz­lich die Frage stellte, ob Design über­haupt demo­kratisch sein kann und ob es nicht viel­mehr darum ginge, das Design für die demo­kratische Zwecke einzu­setzen. Dies bedeutet in letzter Kon­sequenz, die Gesell­schaft auf Nach­haltig­keit umzu­gestalten. Uli Mayer-Johanssen ver­band diese Forderung mit einer Vision und Anziehungs­kraft des Designs, der sich Designer­*innen im Ange­sicht der großen Heraus­forder­ungen unserer Zeit be­wusst werden müssten. Und Boris Kochan, der Präsident des Deutschen Design­tages, rief die Designer­*innen schließ­lich zu mehr politischem Engage­ment auf, ohne dabei nicht auch auf die zermür­benden Effekte des politischen Apparates hinzuweisen.

Harald Welzer machte den Auftakt der Impulsvorträge.

Das zweite Vortrags­panel zu den Heraus­forder­ungen der Demo­kratie eröffnete die Design­wissen­schaft­lerin Bianca Herlo vom Design Research Lab mit einem Blick auf die designten Aus­schluss­mecha­nismen digitaler Partizi­pations­tools, derer man sich bewusst sein muss, wenn man aktive Teil­habe an demo­kratischen Prozes­sen digital gestalten möchte. Dominik Herold vom Verein mehr als wählen reflektierte über das Wesen radikaler Demo­kratie, um diese Theorien dann mit seiner prak­tischen Arbeit im gelosten Bürger­*innen­rat seines Vereins, dem Demo­kratie­kon­vent, zu ver­binden. Wie man Menschen an­spricht, die sich selbst fern von der Politik und Mit­ge­staltung wähnen, stellte er als zentrale Her­aus­forder­ung heraus. Ähnlich verhält es sich mit Menschen in soge­nannten Filter­blasen am rechten Rand der Gesell­schaft, von denen Katja Böhne von der Bildungs­stätte Anne Frank berichtete. Auch beim Durch­brechen dieser Filter­blasen könne die Ver­mitt­lung durch Design eine zentrale Rolle spielen. Im ab­schließen­den Impuls berichtete Michael Volkmer vom Prozess der Bewer­bung um den Titel „World Design Capital 2026“ und stellte eine inspirierende Road­map an Frage­stellungen, Themen, Heraus­forder­ungen und ersten Projekt­beispielen vor.

Gestärkt ging es am Nach­mittag in die Work­shops zu den Themen (1) Design­aus­bildung, Verant­wort­ung und Halt­ung, (2) Politische Krisen­kommuni­kation, (3) Partizi­pation, Teil­habe und Streit sowie (4) Nach­haltig­keit. Die Teil­nehmer­*innen des Kon­vents erwartete in den Räumen der Work­shops eine kleine Über­raschung: Diese wurden atmo­s­phärisch von den Student­innen der HfG Offen­bach, Morgana Hohen­stein, Kathina Terharn, Kira und Sophia Bernauer, ausge­staltet. Jeder Raum er­strahlte in einer eigenen Farbe und Pflanzen, die das Work­shop­thema jeweils meta­phorisch auf­griffen, schmückten die Räume. Obwohl man dies hätte ver­muten können, sorgte nicht nur die rote Farbe im Raum der Krisen­kommuni­kation für hitzig geführte Debatten. Begleitet wurden die Work­shops von Expert­*innen, die jeweils ihre Pers­pektive aus ihrer Praxis ein­bringen konnten: Das Plakat­projekt Design Democracy, ver­treten durch Ravena Hengst und Ingo Lemper, das eine sehens­werte Aus­stellung in einem an die Work­shops angrenzen­den Raum zeigte, Roland Lamb­rette von der HfK Bremen, Rolf Mehnert von GestaltBildung, Kerstin Amend von Standard Rad, die Chef­redaktion der form, Anton Rahlwes und Nina Sieverding, und schließlich Anna Scheuer­mann von den Architects for Future. Es wurde bis spät in den Abend hinein diskutiert und ge­arbeitet. Das Abend­essen sowie das ein oder andere Gespräch im lockeren Rahmen bei einem Glas Wein ließen sich die Teil­nehmer­*innen jedoch auch nicht nehmen.

Alle Workshops waren farblich codiert.

Der zweite Tag begann so, wie der erste geendet hatte: mit Diskus­sion und produk­tiver Aus­einander­setzung. Bevor es in die einzel­nen Work­shop-Gruppen zurück­ging, wurde im Plenum der ver­gangene Tag disku­tiert. Das Ziel stand jedoch klar vor Augen: die Abschluss­präsen­tation vor dem geladenen Podium aus Kultur, Wissen­schaft und Politik. Die inten­siven Gespräche hatten sich jedoch gelohnt. Jede Work­shop-Gruppe präsentierte ein individu­elles Ergeb­nis, das eine Zusammen­fassung aus kon­kreten Ideen, Forde­r­ungen, Kriter­ien, Netz­werken und dem Auf­ruf zur Selbst­reflexion des Designs dar­stellte. Die Podiums­gäste hatten viel Material, auf das sie reagieren konnten und das diskutiert werden musste. Zwei Mit­glieder des Bundes­tages, Armand Zorn von der SPD und Deborah Düring von den Grünen, die Politik­wissen­schaft­lerin und Leiterin der Hessischen Stiftung Friedens- und Konflikt­for­schung, Nicole Deitel­hoff, sowie Meron Mendel, der Direktor der Bildungs­stätte Anne Frank, waren positiv über­rascht von der Dichte der Ergebnisse.

Das Podium am zweiten Tag: Kristina Oldenburg, Felix Kosok, Meron Mendel, Deborah Düring, Nicole Deitelhoff, Armand Zorn und Bettina Knoth.

Begleitet wurde das Podium von der Modera­torin Kristina Olden­burg sowie den beiden DDC Vor­ständen, Bettina Knoth und Felix Kosok. Die zen­tralen Fragen der zwei Tage wurden noch ein­mal disku­tiert und es wurde auch kritisch begut­achtet, in­wie­weit Design und ins­beson­dere Designer­*innen dazu berechtigt wären, ohne ein politisches Mandat demo­kratische Prozesse und Insti­tutionen optimieren und gestal­ten zu können. Schluss­endlich formu­lierten die beiden Jung­politiker erneut eine For­derung an die Design­disziplin, sich politisch zu enga­gieren, um diese wichtigen An­liegen ver­treten zu können. Nicole Deitel­hoff und Meron Mendel betonten, wie wichtig es sei, in der Kommuni­kation mit der Politik eine klare Bot­schaft und Halt­ung zu formu­lieren. Ins­besondere machte die Diskus­sion jedoch erneut klar, wie wichtig der Aus­tausch und der Streit inner­halb der Design­diszi­plin über Verant­wort­ung und Haltung und über die Rolle des Designs in der Demo­kratie war, ermög­licht durch die Unter­stütz­ung des Kultur­fonds FRM und der Stadt Frank­furt. Es wird nicht das letzte dieser Formate gewesen sein, das der DDC im Rahmen des Jahres 2022, das er unter das Motto „Design für die Demokratie“ gestellt hat, veran­stalten wird. So viel ist sicher.