Indem man sie lebt. Der DDC rief an zwei Tagen Ende März Designexpert*innen zum Konvent für demokratisches Design zusammen.
Vom Hochschulrektor über die Professorin, die Agenturinhaberin, den Designer und die Designerin bis hin zu den Studierenden aus unterschiedlichen Designdisziplinen wurde intensiv über die ästhetische, ökologische, ökonomische und politischen Rolle des Designs in der und für die Demokratie diskutiert. Die vielen unterschiedlichen Perspektiven erwiesen sich hierbei nicht nur als Herausforderung, sondern als maßgebliche Grundlage für das Ergebnis des Konvents. Dabei wurde allen Teilnehmer*innen klar, dass alleine das Format, ein Raum für den gemeinsamen, produktiven Streit, ein Wert an sich war.
Die zwei konzentrierten Workshoptage im Frankfurter Atelier Lihotzky begannen mit der Begrüßung durch das DDC Team Felix Kosok, Elisabeth Budde, Rolf Mehnert und einleitende kluge Worte durch Karin Wolff, der Geschäftsführerin des Kulturfonds Frankfurt RheinMain, gefolgt von einem verdichteten Programm von Impulsvorträgen. Den Auftakt im ersten Panel machte Matthias Wagner K, der Leiter der Bewerbung der Region Frankfurt RheinMain um den Titel „World Design Capital 2026“ unter dem Motto „Design for Democracy. Atmospheres for a better life“. Die Verantwortung von Designer*innen für die Konsequenzen ihres eigenen Gestaltens war von Beginn des Konvents ein roter Faden, den Wagner K in seinem Vortrag auslegte. Ein Faden, den Soziologe Harald Welzer direkt aufgriff und zusätzlich die Frage stellte, ob Design überhaupt demokratisch sein kann und ob es nicht vielmehr darum ginge, das Design für die demokratische Zwecke einzusetzen. Dies bedeutet in letzter Konsequenz, die Gesellschaft auf Nachhaltigkeit umzugestalten. Uli Mayer-Johanssen verband diese Forderung mit einer Vision und Anziehungskraft des Designs, der sich Designer*innen im Angesicht der großen Herausforderungen unserer Zeit bewusst werden müssten. Und Boris Kochan, der Präsident des Deutschen Designtages, rief die Designer*innen schließlich zu mehr politischem Engagement auf, ohne dabei nicht auch auf die zermürbenden Effekte des politischen Apparates hinzuweisen.
Das zweite Vortragspanel zu den Herausforderungen der Demokratie eröffnete die Designwissenschaftlerin Bianca Herlo vom Design Research Lab mit einem Blick auf die designten Ausschlussmechanismen digitaler Partizipationstools, derer man sich bewusst sein muss, wenn man aktive Teilhabe an demokratischen Prozessen digital gestalten möchte. Dominik Herold vom Verein mehr als wählen reflektierte über das Wesen radikaler Demokratie, um diese Theorien dann mit seiner praktischen Arbeit im gelosten Bürger*innenrat seines Vereins, dem Demokratiekonvent, zu verbinden. Wie man Menschen anspricht, die sich selbst fern von der Politik und Mitgestaltung wähnen, stellte er als zentrale Herausforderung heraus. Ähnlich verhält es sich mit Menschen in sogenannten Filterblasen am rechten Rand der Gesellschaft, von denen Katja Böhne von der Bildungsstätte Anne Frank berichtete. Auch beim Durchbrechen dieser Filterblasen könne die Vermittlung durch Design eine zentrale Rolle spielen. Im abschließenden Impuls berichtete Michael Volkmer vom Prozess der Bewerbung um den Titel „World Design Capital 2026“ und stellte eine inspirierende Roadmap an Fragestellungen, Themen, Herausforderungen und ersten Projektbeispielen vor.
Gestärkt ging es am Nachmittag in die Workshops zu den Themen (1) Designausbildung, Verantwortung und Haltung, (2) Politische Krisenkommunikation, (3) Partizipation, Teilhabe und Streit sowie (4) Nachhaltigkeit. Die Teilnehmer*innen des Konvents erwartete in den Räumen der Workshops eine kleine Überraschung: Diese wurden atmosphärisch von den Studentinnen der HfG Offenbach, Morgana Hohenstein, Kathina Terharn, Kira und Sophia Bernauer, ausgestaltet. Jeder Raum erstrahlte in einer eigenen Farbe und Pflanzen, die das Workshopthema jeweils metaphorisch aufgriffen, schmückten die Räume. Obwohl man dies hätte vermuten können, sorgte nicht nur die rote Farbe im Raum der Krisenkommunikation für hitzig geführte Debatten. Begleitet wurden die Workshops von Expert*innen, die jeweils ihre Perspektive aus ihrer Praxis einbringen konnten: Das Plakatprojekt Design Democracy, vertreten durch Ravena Hengst und Ingo Lemper, das eine sehenswerte Ausstellung in einem an die Workshops angrenzenden Raum zeigte, Roland Lambrette von der HfK Bremen, Rolf Mehnert von GestaltBildung, Kerstin Amend von Standard Rad, die Chefredaktion der form, Anton Rahlwes und Nina Sieverding, und schließlich Anna Scheuermann von den Architects for Future. Es wurde bis spät in den Abend hinein diskutiert und gearbeitet. Das Abendessen sowie das ein oder andere Gespräch im lockeren Rahmen bei einem Glas Wein ließen sich die Teilnehmer*innen jedoch auch nicht nehmen.
Der zweite Tag begann so, wie der erste geendet hatte: mit Diskussion und produktiver Auseinandersetzung. Bevor es in die einzelnen Workshop-Gruppen zurückging, wurde im Plenum der vergangene Tag diskutiert. Das Ziel stand jedoch klar vor Augen: die Abschlusspräsentation vor dem geladenen Podium aus Kultur, Wissenschaft und Politik. Die intensiven Gespräche hatten sich jedoch gelohnt. Jede Workshop-Gruppe präsentierte ein individuelles Ergebnis, das eine Zusammenfassung aus konkreten Ideen, Forderungen, Kriterien, Netzwerken und dem Aufruf zur Selbstreflexion des Designs darstellte. Die Podiumsgäste hatten viel Material, auf das sie reagieren konnten und das diskutiert werden musste. Zwei Mitglieder des Bundestages, Armand Zorn von der SPD und Deborah Düring von den Grünen, die Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Nicole Deitelhoff, sowie Meron Mendel, der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, waren positiv überrascht von der Dichte der Ergebnisse.
Begleitet wurde das Podium von der Moderatorin Kristina Oldenburg sowie den beiden DDC Vorständen, Bettina Knoth und Felix Kosok. Die zentralen Fragen der zwei Tage wurden noch einmal diskutiert und es wurde auch kritisch begutachtet, inwieweit Design und insbesondere Designer*innen dazu berechtigt wären, ohne ein politisches Mandat demokratische Prozesse und Institutionen optimieren und gestalten zu können. Schlussendlich formulierten die beiden Jungpolitiker erneut eine Forderung an die Designdisziplin, sich politisch zu engagieren, um diese wichtigen Anliegen vertreten zu können. Nicole Deitelhoff und Meron Mendel betonten, wie wichtig es sei, in der Kommunikation mit der Politik eine klare Botschaft und Haltung zu formulieren. Insbesondere machte die Diskussion jedoch erneut klar, wie wichtig der Austausch und der Streit innerhalb der Designdisziplin über Verantwortung und Haltung und über die Rolle des Designs in der Demokratie war, ermöglicht durch die Unterstützung des Kulturfonds FRM und der Stadt Frankfurt. Es wird nicht das letzte dieser Formate gewesen sein, das der DDC im Rahmen des Jahres 2022, das er unter das Motto „Design für die Demokratie“ gestellt hat, veranstalten wird. So viel ist sicher.