AUSGEZEICHNET
The Essence of Biocement
Biofabrizierter Stuhl aus recyceltem Baumaterial
Von Friedrich Gerlach & Julia Huhnholz
Aufgabe
Biozement wird mithilfe von Bakterien hergestellt, die recycelte Ziegelsteine mit Calciumcarbonat verbinden. Die Produktion erfordert keinen Brennvorgang und emittiert in der Herstellung kein CO2. Biofabrikation und 3D-Druck ermöglichen neue Formgebung des Materials. Im Projekt wurden die essenziellen Eigenschaften von Biozement untersucht und zur Herstellung eines Sitzmöbels verwendet. Der Stuhl besteht aus drei Profilen und wurde entwickelt, um Forschung durch Design zugänglicher zu machen.
Umsetzung
Ressourcenknappheit und insbesondere der Mangel an Sand sind zentrale Herausforderungen, denen wir uns mit „The Essence of Biocement“ stellen. Gleichzeitig führt die lineare Wirtschaftsweise zu einem hohen Abfallaufkommen von Baggergut und Bauschutt. Daher nutzen wir im Projekt Abfall als Rohstoffquelle und verarbeiten Recyclat aus alten Ziegeln zu Biozement. Wir kooperieren mit Wissenschaftler:innen in Kapstadt, die Harnstoff aus Urin und Nährstoffe aus Reststoffen der Käse- und Bierproduktion gewinnen. Darüber hinaus ist die konventionelle Herstellung mineralischer Baustoffe mit einem hohen Energieverbrauch und CO2-Emissionen verbunden. Biozement hingegen wird bei geringen Temperaturen und mithilfe eines organischen Wachstumsprozesses hergestellt. So wird der Einsatz von Mikroorganismen als treibende Kraft der Produktion zu einer vielversprechenden Alternative. Der „Biocement Chair“ macht die Potenziale der Rohstoffverwertung, der Herstellungsweise und der Materialeigenschaften physisch erfahrbar.
Der Stuhl besteht aus drei, einzeln gefertigten Profilen. Jedes Profil wird mithilfe eines Wachstumsprozesses innerhalb von 12 Tagen erzeugt. Die Konstruktion ist so ausformuliert, dass Schalungsteile mehrfach für innen- und außenliegende Profile verwendet werden können. Die abgeflachten Seiten ermöglichen schließlich das Zusammensetzen der Stuhlkomponenten zum finalen Sitzobjekt. Biozement weist eine hohe Druckstabilität, aber eine geringe Zugstabilität auf. Daher sind die Hinterbeine des Stuhls leicht nach vorne versetzt und befinden sich direkt unter dem Belastungsschwerpunkt. Das Sitzobjekt aus 100% selbst produziertem Biozement ist grundsätzlich aber nicht als angewandtes Produkt zu verstehen, bei dem der Fokus der Gestaltung auf dem Nutzungsszenario liegt. Vielmehr handelt es sich um einen archetypischen Platzhalter, der die Aufmerksamkeit auf das neuartige Material an sich lenkt. Als „Objekt des Wissens“ soll das Sitzmöbel in erster Linie den innovativen Herstellungsprozess kommunizieren. Das skalierte Produkt im Maßstab 1:1 liefert den physischen Beweis, dass die Produktion von Biozement auch außerhalb von professionellen Laboren möglich ist. Unser Ziel ist es, auf diese Weise Designer:innen zur Ergründung neuer Gestaltungsfelder zu ermutigen, Wissenschaftler:innen für anwendungsbezogene Themen zu begeistern und Unternehmen auf nachhaltig-innovative Technologien aufmerksam zu machen.
Einreicher*in
Friedrich Gerlach
Julia Huhnholz
Betreuer*innen der Abschlussarbeit
Prof. Dr. Jan Willmann, M.A. Katrin Krupka, M.A. Michael Braun
Website
friedrichgerlach.de
Video
youtube.com
Kategorie
Produkt
Auszeichnung
Ausgezeichnet
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar
Kooperation
University of Cape Town
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Materialsponsor
Carl Roth